Dienstag, 11. November 2014

Zum Jungsein gehört das Gefühl, alles könne wieder gut werden

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Ein ganz klein wenig ist es so, als ob Michael aus "Der Vorleser" noch einmal die Möglichkeit hat, ein neues Leben zu leben. Aber er macht es wieder: Er verliebt sich in eine (etwas) ältere Frau, die er nicht halten können wird, nach der er sich aber sein Leben lang sehnt. Dies ist aber nur ein kleiner Verweis, der im Gehirn bei der Lektüre von Bernhard Schlinks neuem Roman "Die Frau auf der Treppe" aufpoppt. Der Roman jedoch ist viel mehr, viel eigenständiger und verweist auf eine andere Zeit in der Geschichte der Menschheit - bis hin ins Heute. 
"Zum Jungsein gehört das Gefühl, alles könne wieder gut werden, alles, was schiefgelaufen ist, was wir versäumt, was wir verbrochen haben. Wenn wir das Gefühl nicht mehr haben, wenn Ereignisse und Erfahrungen unwiderbringlich werden, sind wir alt. Ich habe das Gefühl nicht mehr", sagt Irene - die Frau auf der Treppe am Anfang. Aber sie wird noch lange leben, um wirklich alt zu werden - und um vielleicht einmal richtig geliebt zu werden, wenn auch nur kurz.
Inspiriert von einer Postkarte, die nach eigener Aussage ab und an Schlinks Schreibtisch ziert (Ema. Akt auf einer Treppe von Gerhard Richter) hat sich darum eine Geschichte entsponnen, die sowohl Kunstraub, als auch eine Ménage-à-trois beinhaltet. Irenes Gemälde verfeindet den Künstler und ihren (Ex-)Mann, treibt Irene in die Flucht und fast in die Arme des Anwaltes, der in diesen durchaus absurden Streit mit hinein gezogen wird. Vor allem aber treibt es sie ans Ende der Welt, nur um dort allen dreien wieder zu begegnen. 
Diesen Roman habe ich schnell und mit Begeisterung gelesen, wenn auch am Ende Einiges offen bleibt. Ein typischer Schlink eben, der uns lehrt, "dass nichts an sein Ende gekommen war, dass alles weiter und weiter ging". Absolut lesenswert!
Quelle: https://www.gerhard-richter.com/

Bernhard Schlink
Die Frau auf der Treppe, Diogenes

ISBN978-3-257-06909-9

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